Michael Feindt
Logistics Leader of the Year 2021 (donated by TRATON)
Prof. Dr. Michael Feindt: TRATON Logistics Leader of the Year 2021
Prof. Dr. Michael Feindt (*1958) ist Gründer der Softwarefirma Blue Yonder, für die er heute als strategischer Berater tätig ist. Der Wissenschaftler gilt als Experte für datengetriebene Softwareentwicklung, das Lernen von Effekten durch Datenanalysen sowie die Entwicklung neuer Algorithmen und Tools in Big-Data-Umgebungen. 2002 gründete er ein Unternehmen, um seine Erfindungen aus dem Bereich Predictive Analytics aus der Wissenschaft in die Wirtschaft zu transferieren. Seine Idee: Vorhersagen in Sachen Pricing und Warendisposition können verbessert werden, wenn sie mithilfe von Künstlicher Intelligenz erstellt werden.
Retailexperten erkannte das Potenzial des von ihm entwickelten NeuroBayes-Algorithmus zur Automatisierung von operativen Entscheidungen in den Prozessen der Handelsunternehmen. 2008 gründeten Manager der Otto Group und Feindt das Softwarehaus Blue Yonder. JDA Software kaufte 2018 das Unternehmen. 2020 firmierte JDA Software in Blue Yonder um. 2021 erwarb Panasonic vollständig die Firma.
Branche | Transport, Logistik, IT, Wissenschaft |
Land | Deutschland |
Aktuelle Position | Strategischer Berater, Blue Yonder |
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Vita
1958 Geboren am 22. Oktober in Berlin
1978 Physikstudium an der Universität Hamburg
1988 Promotion an der Universität Hamburg über die Datenanalyse bei DESY-Experimenten
1991 Beginn der sechsjährigen Forschungsarbeit als Wissenschaftler am weltgrößten Teilchenbeschleunigerlabor im Europäischen Zentrum für Teilchenphysik CERN in Genf. Experimenteller Nachweis von B**-Mesonen
1997 Professor für Physik an der Uni Karlsruhe (derzeit beurlaubt)
2000 Erfindung des NeuroBayes-Algorithmus zur Vorhersage künftiger Ereignisse durch das Lernen aus Stichproben vergangener Ereignisse
2002 Gründung der Firma Phi-T zur Professionalisierung von NeuroBayes
2008 Gründung von Blue Yonder, um NeuroBayes zu professionalisieren
2015 Auszeichnung des Unternehmens mit dem Gartner Cool Vendor Award und dem Experton Big Data Leader Award im folgenden Jahr
2018 Übernahme von Blue Yonder durch JDA Software
2020 Umbenennung von JDA Software in Blue Yonder. Umsatzanstieg mit rund 3.000 Kunden auf eine Milliarde US-Dollar. Tätigkeit als Strategic Advisor für Blue Yonder
2021 Vollständige Übernahme von Blue Yonder durch Panasonic
2021 Auszeichnung mit dem Award TRATON Logistics Leader of the Year -
Verdienste
Der Physiker Prof. Dr. Michael Feindt ist der Beweis, dass Wissenschaft und Wirtschaft kein Gegensatz sind. Er gilt als führender Experte für datengetriebene Softwareentwicklung, das Lernen von Effekten durch Datenanalysen sowie die Entwicklung neuer Algorithmen und Tools in Big-Data-Umgebungen. Um sein Wissen aus der Forschung in die Unternehmen, konkret in die Einkaufs- und Logistikabteilungen zu transferieren, hat er das Softwareunternehmen Blue Yonder gegründet.
Schon als Physikstudent in Hamburg ist Feindt von Datenanalysen fasziniert. Die Promotion bringt er schnell hinter sich. Dann gräbt er sich sechs Jahre lang in Genf in Forschungsarbeiten ein. Der Forscher experimentiert im weltgrößten Teilchenbeschleunigerlabor im Europäischen Zentrum für Teilchenphysik CERN. In seinen Notizbüchern taucht das Wort B**-Mesonen auf. Ihm gelingt als erster Wissenschaftler der experimentelle Nachweis dieser Teilchen. Die grauen Eminenzen der Elementarteilchenphysikwelt werden auf ihn aufmerksam. Riesige Datenmengen zu entschlüsseln und daraus wissenschaftlich relevante Informationen zu extrahieren, das ist nicht nur sein Job, sondern seine Passion.
1993, lange bevor das Wort Big Data in Wissenschaft und Wirtschaft in aller Munde ist, trainiert der gebürtige Berliner sein erstes neuronale Netz auf einem Rechner. Algorithmen agieren darin, vereinfacht gesagt, ähnlich wie Neuronen im Gehirn des Menschen und verarbeiten Informationen. Sein Wissensdurst treibt ihn im Jahr 2000 dazu, einen Algorithmus zu erfinden. NeuroBayes heißt er. Er dient zur Vorhersage künftiger Ereignisse durch das Lernen aus Stichproben vergangener Begebenheiten.
Neugier ist Feindts nie endender Treibstoff. Doch nur die Freiheit, die er als Forscher hat, ermöglicht es ihm, sich auf seine Lieblingsthemen zu konzentrieren. Als die Bedingungen am CERN nicht mit seinen Vorstellungen übereinstimmen, nimmt er sich 1997 auch die Freiheit, sich auf die Professur für Experimentelle Kernphysik an der Uni Karlsruhe zu bewerben, dem heutigen Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Dass der Top-Wissenschaftler genommen wird und nicht ein anderer Bewerber, überrascht niemanden in der Physikszene.
Der freiheitsliebende Forscher schlägt 2002 wieder eine neue Richtung ein. Er wagt sich aus dem Elfenbeinturm der Wissenschaft und gründet das Unternehmen Phi-T. Sein Masterplan: Er will den NeuroBayes-Algorithmus professionalisieren und ihn in Firmen anwenden. Wissenschaft und Wirtschaft – für Feindt kein Gegensatz. Viele seiner Kollegen schütteln den Kopf. In der Tat ist einer wie Feindt im 21. Jahrhundert ein Außenseiter in der Ökonomie. Die Statistik zeigt, dass nur rund zehn Prozent aller Start-ups an einer Hochschule oder Universität gegründet werden.
Auch in der Wirtschaft schmunzeln einige Manager über den Professor, der ohne Schlips und Anzug an den Türen der obersten Konzernetagen anklopft. Er wird deshalb eingelassen, weil die Topmanager bei den Einsparungsauswertungen, die beispielsweise im Bereich Warendisposition durch seine Software möglich sind, Dollarzeichen in den Augen bekommen. Sie spitzen die Ohren, wenn er über Machine Learning und Predictive Analytics referiert. Doch Feindt ist nicht nur ein mutiger Entrepreneur, sondern auch ein fleißiger. Fast 400 Vorträge hat er bis heute gehalten. Mehr und mehr Unternehmen nehmen ihn sehr ernst. Der reisende Professor nimmt sich die Freiheit, in ganz verschiedenen Branchen seine Algorithmenkünste zu präsentieren – im Handel, in Banken, in Versicherungen. Sogar am Aktienmarkt setzt er clever Künstliche Intelligenz ein. Schließlich bleibt er bei den Retail-Ketten hängen. Je kleiner die Margen, desto größer ist die Bereitschaft auf ihn zu hören.
2008 gründet Feindt zusammen mit dem Vorstand der Otto Group Blue Yonder. Er und sein Team befassen sich mit der Prognose von Kundenentscheidungen. Bei Otto schaffen sie es, durch den Einsatz von KI die durchschnittlichen Lieferzeiten von zwei Millionen Artikeln auf dem Online-Marktplatz zu reduzieren - von fünf bis sieben Tage auf zwei, mitunter sind es sogar nur 24 Stunden. Auch Manager anderer Handelsketten greifen zur Software Made in Karlsruhe.
Ihre Motivation ist einfach zu erklären: Die Vielzahl der zu erwartender und sich wechselseitig beeinflussender Faktoren ist für die besten Branchenprofis nicht beherrschbar. Standortfaktoren, Wochentage, Wetterbedingungen, saisonale Einflüsse, Rabattaktionen des Wettbewerbs, Lieferzeiten und viele weitere Faktoren bestimmen, welche Produkte nachgefragt werden. Die Krux: Wird zu wenig Ware in den Läden vorgehalten, führt das zu Umsatzverlusten. Wird zu viel bevorratet, müssen Werte abgeschrieben werden. In den Supermärkten verderben tonnenweise Lebensmittel. Mit seinem Team hat Feindt eine Software ausgeklügelt, die mehr als 200 Einflussfaktoren pro Prognose kombiniert. Bei der Preisgestaltung wird das Tool genauso eingesetzt wie bei der Warendisposition.
Der Weg geht steil nach oben. Blue Yonder gewinnt im Laufe der Zeit nicht nur neue Kunden, sondern auch die Private-Equity-Spezialisten Warburg Pincus. 2018 übernimmt dann der SCM-Softwarespezialist JDA aus den USA das Unternehmen, 2020 wird JDA in Blue Yonder umbenannt. Die Supply Chain Community blickt nach Karlsruhe. Die Erfolgsgeschichte geht weiter. Panasonic öffnet die Firmenkasse. Im März 2021 sind die Wirtschaftsmedien voll mit der Meldung, dass der japanische Konzern Blue Yonder komplett übernehmen will.
1000 Milliarden Prognosen hat seine Software bis dato gemacht. Milliarden werden noch folgen. Feindt könnte sich, rein finanziell gesehen, jetzt zur Ruhe setzen. Aber er arbeitet gerne als „Strategic Advisor“ für Blue Yonder in seinem 20-Quadratmeter-Büro weiter – nur ohne den Erfolgsdruck, Kunden finden müssen. Mittlerweile hat das Unternehmen schon mehr als 3000 – Tendenz steigend.
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Fotos: LHOF/Sebastian Gabsch